Vorsorgevollmacht: Nachteile für den Bevollmächtigten
Die Vorsorgevollmacht ist ein essentielles Instrument zur rechtlichen Absicherung im Fall einer späteren Geschäftsunfähigkeit. In den meisten Fällen wird die Vorsorgevollmacht als vorteilhaft und notwendig für den Vollmachtgeber beschrieben. Weniger im Fokus stehen die möglichen Nachteile und Risiken, die mit der Übernahme der Bevollmächtigung für den Bevollmächtigten verbunden sind. Insbesondere dann, wenn der Bevollmächtigte aus dem familiären Umfeld stammt, bestehen zahlreiche Fallstricke, die sich in der Praxis häufig unterschätzt zeigen.
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Rechtliche Stellung des Bevollmächtigten
Eine Vorsorgevollmacht erteilt dem Bevollmächtigten weitreichende Vertretungsbefugnisse. Der Bevollmächtigte übernimmt die Aufgabe, die finanziellen, rechtlichen und medizinischen Angelegenheiten des Vollmachtgebers zu regeln – und dies häufig in einer Situation, in der der Vollmachtgeber selbst nicht mehr handlungs- oder einwilligungsfähig ist.
Diese umfassende Befugnisstellung birgt für den Bevollmächtigten erhebliche Haftungsrisiken. Anders als ein rechtlicher Betreuer unterliegt der Bevollmächtigte keiner behördlichen Kontrolle. Dies bedeutet, dass sämtliche Entscheidungen und Rechtsgeschäfte im eigenen Ermessen zu treffen sind – mit allen damit verbundenen Haftungsfolgen.
Gefahr der persönlichen Haftung
Ein erheblicher Nachteil für den Bevollmächtigten besteht in der potenziellen persönlichen Haftung. Begeht der Bevollmächtigte Fehler bei der Vermögensverwaltung, haftet er unter Umständen für entstandene Schäden. Zwar gilt grundsätzlich, dass die Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit begrenzt ist. Doch gerade im familiären Umfeld wird häufig übersehen, dass auch einfache Fahrlässigkeit bei gravierenden Vermögensschäden zu einer Haftung führen kann.
Ein typisches Beispiel: Der Bevollmächtigte verkauft Immobilien oder Wertgegenstände, um Pflegekosten zu decken, ohne den Marktwert sorgfältig zu prüfen. Werden solche Geschäfte später von Erben angefochten, steht der Bevollmächtigte unter Rechtfertigungsdruck.
Konflikte mit Miterben und Familienangehörigen
Ein weiterer wesentlicher Nachteil betrifft die erhöhte Konfliktanfälligkeit innerhalb der Familie. Gerade wenn der Bevollmächtigte ein Familienmitglied ist – etwa ein Sohn oder eine Tochter – entstehen oft Spannungen mit Geschwistern oder anderen Erben.
Es kommt nicht selten vor, dass Erben dem Bevollmächtigten vorwerfen, Vermögenswerte unangemessen verwendet oder eigene Interessen verfolgt zu haben. Auch die transparente Dokumentation aller Transaktionen wird häufig gefordert, obwohl eine explizite Buchführungspflicht für Bevollmächtigte nicht besteht. Der Bevollmächtigte wird dadurch in eine permanente Rechtfertigungsposition gedrängt.
Psychische und emotionale Belastung
Neben den rechtlichen und finanziellen Risiken darf auch die psychische Belastung nicht unterschätzt werden. Der Bevollmächtigte wird regelmäßig mit schwierigen und emotional stark belastenden Entscheidungen konfrontiert. Dies betrifft insbesondere medizinische Behandlungsfragen, Unterbringungsentscheidungen oder die Regelung von Pflegearrangements.
Gerade bei medizinischen Fragen kommt es häufig zu Gewissenskonflikten, da der Bevollmächtigte die Wünsche des Vollmachtgebers mit den tatsächlichen medizinischen Notwendigkeiten in Einklang bringen muss. Die fehlende objektive Kontrolle durch Gerichte oder Behörden verstärkt diese emotionale Belastung.
Dokumentationspflicht und Nachweisanforderungen
Auch wenn der Bevollmächtigte nicht gesetzlich zu einer detaillierten Buchführung verpflichtet ist, wird in der Praxis zunehmend verlangt, dass alle wesentlichen Geschäftsvorgänge sorgfältig dokumentiert werden. Kommt es später zu Streitigkeiten mit Erben, Sozialhilfeträgern oder anderen Anspruchsinhabern, muss der Bevollmächtigte regelmäßig umfangreiche Nachweise vorlegen.
Besonders problematisch wird dies, wenn Zahlungen oder Vermögensverfügungen aufgrund mündlicher Absprachen mit dem Vollmachtgeber erfolgt sind. In solchen Fällen steht der Bevollmächtigte im Streitfall oft ohne belastbare Beweise da und trägt das volle Prozessrisiko.
Strafrechtliche Risiken bei Fehlverhalten
Neben zivilrechtlichen Haftungsrisiken besteht auch die Gefahr strafrechtlicher Ermittlungen, wenn der Bevollmächtigte Vermögensverfügungen vornimmt, die später als pflichtwidrig oder eigennützig ausgelegt werden. Der Vorwurf der Untreue (§ 266 StGB) steht in solchen Fällen schnell im Raum, insbesondere wenn Erben oder Dritte Strafanzeige erstatten.
Selbst wenn sich der Vorwurf später als unbegründet erweist, ist die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mit erheblichen Belastungen verbunden. Der Bevollmächtigte wird in die Defensive gedrängt und muss sich mit anwaltlicher Unterstützung gegen den Verdacht wehren.
Kein automatischer Schutz durch Gerichte oder Behörden
Ein weiterer bedeutender Nachteil liegt in der fehlenden institutionellen Unterstützung. Während ein gesetzlicher Betreuer unter der Aufsicht des Betreuungsgerichts steht und klare Vorgaben zur Vermögensverwaltung und Berichterstattung erhält, ist der Bevollmächtigte im Rahmen der Vorsorgevollmacht weitgehend auf sich allein gestellt.
Diese fehlende Kontrolle führt in der Praxis zu erheblicher Rechtsunsicherheit. Ohne anwaltliche Beratung ist es für Bevollmächtigte kaum möglich, die Grenzen zulässiger Rechtsgeschäfte korrekt einzuschätzen oder sich gegenüber Dritten – etwa Banken oder Sozialämtern – rechtssicher zu positionieren.
Bankrechtliche Hürden und Vollmachtsakzeptanz
Trotz der formellen Rechtskraft einer Vorsorgevollmacht stoßen Bevollmächtigte in der Praxis regelmäßig auf erhebliche Akzeptanzprobleme, insbesondere bei Banken, Versicherungen oder Behörden. Viele Kreditinstitute verweigern die Anerkennung einer privatschriftlich erteilten Vollmacht, selbst wenn sie rechtlich wirksam ist. Häufig wird darauf bestanden, dass die Vorsorgevollmacht notariell beurkundet oder im Zentralen Vorsorgeregister registriert wurde.
Fehlt eine solche notarielle Beurkundung, sieht sich der Bevollmächtigte oft gezwungen, langwierige Abstimmungen und Nachweisverfahren zu durchlaufen, bevor die gewünschte Handlung erfolgen kann. Dies führt vor allem in akuten Krisensituationen zu erheblichen Verzögerungen, etwa wenn dringend auf Kontoguthaben zugegriffen oder laufende Zahlungen gesichert werden müssen.
Besonders problematisch wird dies, wenn die Bank eigene interne Vorgaben verfolgt, die mit dem geltenden Vollmachtsrecht nicht immer im Einklang stehen.
Vorsorgevollmacht: Rechtliche Unterstützung
Die Erteilung einer Vorsorgevollmacht ist ein wichtiger Schritt, um die eigene Handlungsfähigkeit im Ernstfall zu sichern. Für den Bevollmächtigten bringt die Übernahme dieser Verantwortung jedoch zahlreiche rechtliche und praktische Herausforderungen mit sich. Ohne professionelle Begleitung besteht das Risiko, dass gut gemeinte Entscheidungen später zu Haftungsfragen oder familieninternen Konflikten führen.
Unsere auf Erbrecht und Vorsorge spezialisierten Rechtsanwälte und Notare unterstützen Sie bei der Erstellung rechtssicherer Vorsorgevollmachten. Dabei wird nicht nur der Wille des Vollmachtgebers präzise dokumentiert – auch der Bevollmächtigte erhält eine umfassende Aufklärung über seine Rechte und Pflichten. Auf Wunsch begleiten wir Bevollmächtigte auch während der Ausübung ihrer Aufgaben und stehen für rechtliche Rückfragen zur Verfügung.
Fazit: Vorsorgevollmacht mit Augenmaß erteilen
Die Vorsorgevollmacht bleibt ein unverzichtbares Instrument der privaten Vorsorge. Die Risiken und Nachteile für den Bevollmächtigten sollten jedoch keinesfalls unterschätzt werden. Wer eine Vorsorgevollmacht erteilt, sollte den Bevollmächtigten frühzeitig in die Entscheidungsfindung einbinden und klare Handlungsanweisungen erteilen.
Zudem ist es ratsam, die Vorsorgevollmacht durch eine notarielle Beratung abzusichern. Nur so lässt sich sicherstellen, dass die Vollmacht rechtlich belastbar ist und der Bevollmächtigte über seine Rechte und Pflichten umfassend aufgeklärt wurde. Eine anwaltliche oder notarielle Begleitung während der Ausübung der Vollmacht kann ebenfalls sinnvoll sein, um Haftungsrisiken zu minimieren.
Für notarielle Fragen stehen wir Ihnen gerne mit unserer Expertise zur Seite. Als Rechtsanwalt und Notar ist Nils-Jasper Schuler ein wichtiger Ansprechpartner. Wir unterstützen Unternehmen und Privatpersonen bei der Abwicklung ihrer erbrechtlichen Angelegenheiten. Vereinbaren Sie gerne einen Termin. |